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Josef Linschinger: SUDOKU 13/1 01 07 11, 2012, Inkjet Print auf Leinwand

SUDOKU 13/1 01 07 11, 2012, Inkjet Print auf Leinwand
Galerie Lindner, Wien 2013

 

Josef Linschinger – Zitate für Leser und Laser Galerie Rytmogram, Bad Ischl 2014

Josef Linschinger – Zitate für Leser und Laser
Galerie Rytmogram, Bad Ischl 2014

 

5 Künstler des Maerz, Galerie allerArt, Bludenz 2011

5 Künstler des Maerz, Galerie allerArt, Bludenz 2011

 

 

Josef Linschinger: Crossing Vowels, 2008Crossing Vowels, 2008

 

  Josef Linschinger: Trinity down, 2003/2007

Trinity down, 2003/2007
 

Josef Linschinger: TRANSFORMATION, 1999 Serigrafie-PortfolioTRANSFORMATION, 1999
Serigrafie-Portfolio

 

Works

Das Feuer des Sudoku

Es gehört zu den Charakteristika der Konkreten Kunst, dass ihren Werken jeweils Spielregeln zugrunde liegen, so unterschiedlich Medien, Materialien und Zielsetzungen innerhalb dieser vielgestaltigen Strömung auch sein mögen. Das heißt, dass nicht individuelle Handschrift und spontaner Duktus die Arbeit bestimmen, sondern, dass die Werke systematisch entstehen, nach Regeln, die oft eine wissenschaftliche Grundlage haben und damit in ihrem Aufbau nachprüfbar sind.

Oft ist es die Mathematik, die das Fundament bereitstellt, insbesondere die Geometrie, und sofort kommt einem dabei Max Bill (1908-1994) in den Sinn, der sich künstlerisch wie theoretisch äußerte und dessen bis heute rezipierter Text über „die mathematische denkweise in der kunst unserer zeit“1 auf „die anwendung logischer denkvorgänge zur gestaltung von rhythmen und beziehungen“2 im Kunstwerk abhob. Eine Generation jünger als er, hält Rune Mields (*1935) kontinuierlichen Kontakt zu Mathematikern und legt ihrer Kunst unter anderem Zahlen-Reihen
zugrunde wie etwa die Fibonacci-Reihe (1, 1, 2, 3, 5, 8 etc.).

Andere locken den mathematischen Zufall in ihre Bilder, wie François Morellet (*1926), der für das Auffinden von geraden und ungeraden Ziffern als Maßstab für die Verwendung zweier Farben im Bild die Zahlen eines Telefonbuchs zu Hilfe nahm. Ebenso stellt die Physik Instrumente der Formfindung bereit. So macht sich Martin Willing (*1958) die Gesetze von Schwingung und Schwerkraft zunutze. Bei Maurizio Nannucci (*1939) liefert die Sprache den Ausgangspunkt für seine Neonobjekte, die die Buch­staben kurzer Worte zu farbigen Wandreliefs fügen.

Und so geht auch Josef Linschinger systematisch vor bei der Entwicklung seiner Werke und findet dabei seine eigenen Wege. Nach seinen „Sprach-Bildern“, in denen er u.a. Verbindungen der Vokale mit ihren von ihm zugewiesenen Farben aus verschiedenen Schriftsystemen schuf, tritt in seinem Werk seit etwa zwei Jahren eine Bilderreihe auf, der die Regeln des Sudoku zugrunde liegen. Wie es oft ist bei Neuerungen, war der Ausgangspunkt ein Zufall: „Nachdem ich von der Galerie 422 – Margund Lössl wieder den Auftrag bekommen hatte, für die Jahreswende eine Karte zu gestalten, fiel mir in meiner Tageszeitung das Sudoku ins Auge. Seit Jahren begegnete es mir täglich beim Durchblättern der Zeitung. An diesem Tag aber sah ich es mit anderen Augen, sah die Zahlen als Farben meines Farbsystems.“3

Über Herkunft und Regeln des Sudoku gibt der Text von Philipp Hübner in diesem Buch Auskunft. Wichtig für die Betrachtung der Bilder von Josef Linschinger ist die Tatsache, dass der Künstler sich für seinen Sudoku-Zyklus den Regeln dieses mathematischen Spiels und damit einer strengen Methodik unterwirft. Sudoku-Rätsel arbeiten mit den Ziffern 1 bis 9, eingetragen in 9 Quadrate, die ihrerseits jeweils in 9 Quadrate unterteilt sind. Den Ziffern ordnet Josef Linschinger jeweils eine Farbe zu: 1 Rot, 2 Rotorange, 3 Orange, 4 Gelborange, 5 Gelb, 6 Gelbgrün, 7 Grün, 8 Blaugrün, 9 Blau. Anders als die Ziffern, die Form und Wert haben, füllen Josef Linschingers Farben die Quadrate vollständig. Er nutzt somit die Grundform der Konkreten Kunst schlecht­hin, deren verbreiteter Einsatz von ihrer Gleichseitigkeit rührt: Da sie keine Richtung vorgibt wie das Dreieck und als Ras­ter das ganze Bild bedecken kann, tritt sie als Form zugunsten der Farbe zurück.

Als Ausgangspunkt seiner Bilder dient Josef Linschinger jeweils das erste und das sechste Sudoku eines Monats in seiner Tageszeitung – eine numerische Wahl im Gedanken an die Seiten eines Würfels. Die Werke des vorliegenden Buches sind als Diptychen angelegt: Jeweils ein Bild enthält die „Aufgabe“ des Sudoku, d.h. es sind die den Ziffern der Aufgabe entsprechenden Farbfelder eingetragen. Die noch zu „lösenden“ Felder bilden den schwarzen Grund. Den „Aufgabenbildern“ korrespondiert jeweils ein Bild als „Lösung“ des Sudoku auf weißem Grund, das heißt, die Felder der „Aufgabe“ sind weiß gelassen.

Was sich spröde anhört, bringt das Auge zum Tanzen: Es versucht, jeweils die beiden Bilder zur Deckung zu bringen, sucht die Ganzheit herzustellen, deren beide Seiten das Diptychon bildet, forscht nach Entsprechungen und Form-Farb-Zusammenhängen. Wenn wir zum Beispiel das Diptychon mit den Nummern 2/1 und 2/2 betrachten, so tritt im „Aufgabenbild“ die zentrale treppenartige Form hervor, die aus der Umsetzung der vorgege­benen Ziffern in Farbfelder resultiert. Diesem Bild entspricht folgerichtig eine komplementäre weiße Treppenstruktur im „Lösungsbild“. Was die Anordnung der Formen betrifft, so sind in den Bildern stets Punkt- oder Achsensymmetrien ablesbar, gelegentlich mehrere vereint. Ebenso sind Gestaltzusammenhänge erken­n­bar, die gegenständliche Assoziationen zum Beispiel an Torformen erlauben (4/1 und 4/2) oder die Vorstellung eines Rapports hervorrufen (14/1 und 14/2), auch, wenn weder Gegenständliches intendiert ist, noch das Quadratraster verlassen wird.

Die Farben, die vom Künstler den Ziffern 1 bis 9 zugeordnet worden sind und deren Anordnung deshalb nicht seiner spon­ta­nen Entscheidung folgt, sondern der Lösung des Sudoku, bilden frappierend stimmige Klänge und Harmonien, heller, wenn sie dem Weiß korrespon­dieren, und schwerer, wenn sie gegen Schwarz stehen. So setzt die Bin­dung an die Regeln des Sudoku ein höchst reizvolles visuelles System ins Werk, ein Farbenfeuer, das sich dem gelenkten Zufall verdankt, ein Rätsel, das Unvorherseh­bares durch die Bindung an die Methodik hervorbringt, ein Bildsystem unausschöpfbarer Überraschungen – Josef Linschingers ureigene bildnerische Erfindung.
Marlene Lauter

1 Max Bill, die mathematische denkweise in der kunst unserer zeit,
hier zitiert nach: Eduard Hüttinger, Max Bill, 1977;
2 ebenda, S. 112
3 aus einer Mitteilung von Josef Linschinger, 10. 12. 2012

Aus: DIE FASZINATION DES SUDOKU, Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2013